Vertane Chance

1.116 – so viele Änderungsanträge lagen vergangene Woche vor, als das Europäische Parlament über die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik abzustimmen hatte. Die Großagrarlobby hatte ganze Arbeit geleistet. Angesichts solcher Fluten an Vorschlägen ist ein politischer Kompass als Orientierung immer wichtig. Der sah für uns SPD-Europaabgeordnete wie folgt aus: Gerechte Löhne für die Landwirte, bezahlbare und hochwertige Lebensmittel für die Verbraucher, fairer Nord-Süd-Handel für die Kleinbauern der so genannten Dritten Welt und eine Stärkung der Umwelt schonenden Landwirtschaft für uns Alle. Doch die tatsächlich beschlossenen Reformmaßnahmen sind absolut unzureichend. Die Chance zur grundlegenden Erneuerung der Agrarpolitik wurde vertan.

Die Reformdiskussion an sich ist nichts Ungewöhnliches: Die europäische Agrarpolitik wurde seit ihrer Einführung immer wieder verändert, um sie an aktuelle Herausforderungen anzupassen. In den 1950er Jahren sollte sie durch Preisstützungsmaßnahmen die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung sichern. Als Anfang der 1990er Jahre die verheerenden Folgen dieser Politik immer deutlicher wurden („Milchseen“ und „Butterberge“), führte die EU Produktprämien (Subvention für den Anbau ausgewählter Produkte) ein. Im Zuge der EU-Osterweiterung wurde diese durch die Flächenprämie (Subvention der vorhandenen Anbaufläche) abgelöst.

Das Herzstück des aktuellen Reformvorschlags der Europäischen Kommission war die Ökologisierung der Zahlungen: Flächenprämien sollten künftig stärker an die Einhaltung von bestimmten Öko-Maßnahmen geknüpft werden. Das sollte nicht nur die Umwelt schonen, sondern auch die Qualität der Agrarprodukte steigern. Zudem hätte die Ökologisierung kleine und mittlere Höfe gestärkt. Denn die Flächenprämie kommt vor allem Großproduzenten zugute, die ihre Ware günstiger anbieten können. Die Folge ist ein grausamer Preiswettbewerb, dem Kleinbauern in Süd und Nord kaum etwas entgegen zu setzen haben.

Doch von der Ökologisierung, die die Landwirte verstärkt für ihren Beitrag zum Umweltschutz entlohnen sollte, haben allen voran die konservativen Abgeordneten nicht viel übrig gelassen. Sie haben den großen Wurf in Sachen Agrarpolitik verhindert. Das wird uns Sozialdemokraten aber nicht daran hindern, weiter für unsere agrarpolitischen Ziele zu kämpfen.