Putins Krieg tötet - in der Ukraine wie im Globalen Süden

Es vergeht kaum eine Sitzung im Europäischen Parlament, fast kein Gespräch, ohne dass wir uns mit der Situation in der Ukraine beschäftigen. Wir alle sind zu tiefst berührt von dem Krieg und dem Leid, das er auslöst. Wir alle wollen helfen, wo es nur geht.

Im Treffen des Entwicklungsausschusses haben wir diese Woche mit Vertreterinnen und Vertretern des Center for Global Development und von UNCTAD, der UN- Welthandels- und Entwicklungskonferenz, über die Lage in der Ukraine wie auch die globalen Auswirkungen des Krieges gesprochen.
Sofortige humanitäre Hilfe für die Menschen in der Ukraine ist von größter Bedeutung, um das Leid vor Ort abzumildern. Ersten Schätzungen des United Nations Development Programme zufolge werden 18 Millionen Menschen in der Ukraine unmittelbar von den Kriegsfolgen betroffen sein und mehr als 7 Millionen Menschen zu Binnenflüchtlingen werden.
Armut und Ungleichheit in der Ukraine nehmen bereits rasant zu; die Wirtschaft des Landes, sein soziales Gefüge und die Umwelt leiden verheerend.

Und auch weltweit hat der Krieg erschütternde Konsequenzen:
Zwar war schon vor Kriegsausbruch in der Ukraine prognostiziert, dass 20% der Entwicklungsländer mit schrumpfenden Wirtschaften zu kämpfen haben werden. Die Konsequenzen der Covid-Krise treffen vielerorts auf strukturelle Probleme wie Überschuldung und politische Instabilität und setzen den Ländern zusätzlich zu. Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine kommen nun unmittelbare, heftige Nahrungsmittelengpässe und Probleme bei der Energieversorgung hinzu.

Die Ukraine und Russland hatten vor dem Krieg eine Schlüsselposition in der weltweiten Getreideproduktion. Sie standen zusammengerechnet für rund 20% des weltweiten Maisangebots, 30% des Weizens und 80% des Sonnenblumenöls: Nahrungsmittel, die insbesondere für den Globalen Süden eine wichtige Rolle in der Versorgung spielen. Durch den Krieg wird nicht mehr geerntet und nicht mehr gepflanzt. Selbst wenn der Krieg schneller enden würde, ist der Rückstand nicht mehr einzuholen, denn die Landwirtschaft hängt bereits zu sehr zurück.

Insgesamt importieren Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge 25 afrikanische Länder mehr als ein Drittel ihres Weizens aus Russland und der Ukraine. Bei 15 Ländern liegt der Anteil sogar bei über der Hälfte.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen hat errechnet, dass die Ukraine-Krise etwa 10 Millionen Menschen zusätzlich in Afrika und Asien in die Hungersnot treiben wird, über 320 Millionen Menschen weltweit sehen sich akuter Lebensmittelknappheit ausgesetzt.

Als Europäer müssen wir jetzt unmittelbar Hilfe leisten. An vorderster Stelle stehen dabei Nahrungsmittelhilfen für die am härtesten betroffenen Bevölkerungsgruppen und Regionen.

Und wir dürfen auch nicht zulassen, dass Spekulanten die Hungerkrise noch weiter verschärfen. Trotz der schwierigen Weltmarktlage darf es deshalb auch nicht zu Exportverboten europäischer Produkte etwa nach Afrika kommen.

Und wir müssen – und das nicht erst seit Beginn des Krieges – gerade den Ländern Afrikas endlich die Chance geben, sich zu emanzipieren und selber nachhaltige und resiliente Versorgungssysteme aufzubauen. Nur dann können wir weitere Hungerkrisen künftig verhindern.

Putins Krieg in der Ukraine ist ein Krieg gegen die Menschlichkeit. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um diesen Krieg schnellstmöglich zu beenden, und gleichzeitig die globalen Kriegsfolgen im Blick behalten. Unsere Partner, gerade die ärmsten Länder im Globalen Süden, die am härtesten von den Nahrungsmittelengpässen betroffen sind, müssen wir mit Soforthilfen und einer langfristig angelegten Investitionsoffensive unterstützen. Kritische Infrastruktur, wie Nahrungsmittel- und Gesundheitsversorgung, müssen jederzeit gewährleistet bleiben, denn sie sind die Grundlage für Stabilität, Wachstum und Frieden.